„Mobbing gibt es überall und an allen Schulen, auch in Ihrer!“, ist sich Bruno Lux ziemlich sicher. Der Leiter der Staatlichen Schulberatung für Niederbayern und Experte für Cyber-Mobbing holte die Lehrkräfte des Dominicus-von-Linprun-Gymnasiums, die sich da womöglich noch auf einer Insel der Seligen wähnten, am Dienstagnachmittag unsanft aus ihren Illusionen.

Die Schulleitung hatte das Thema „Mobbing per Handy und Internet“ passend zum „Safer Internet Day“ vom 7.Februar auf die Tagesordnung des Pädagogischen Tages am Gymnasium gesetzt und griff damit eines der brennenden Themen für Jugendliche unserer vom Internet geprägten Zeit auf.
Zuerst einmal mussten die Pauker, zu denen sich Elternvertreter und Schülersprecher gesellt hatten, lernen: In weitem Bogen und mit anschaulichen Beispielen skizzierte der Fachmann eingangs die Gebiete, in denen Mobbing im Internet auftritt: Manche Zuhörer im Lehrerzimmer begegneten so zum ersten mal Phänomenen wie Cyber-Monday, cyber-smashing, cyber-bullying oder cyber-grooming, erfuhren empirisch gesicherte Daten über den viel zu sorglosen Umgang der Jugendlichen mit sozialen Netzwerken und dem Internet.
Bruno Lux stellte unmissverständlich klar, was viele Jugendliche und auch Eltern noch nicht wirklich verstanden haben: Mobbing ist immer reine Gewalt, und zwar eine besonders heimtückische. Es ist viel schlimmer als ein konkreter Streit oder Konflikt unter Schülern: Der hat eine Ursache, da können Streitschlichter vermitteln, den kann man beenden. Mobbing per Handy oder Internet aber hört nicht nach der Schule auf und ist nicht auf den Schulbereich begrenzt: Schüler terrorisieren einander auch zu Hause, am Wochenende, in den Ferien, bei Tag und Nacht. Technisch gesehen kann man Cyber-Mobbing am PC nicht entkommen.
Der Schulberater zeigte seinen gespannt zuhörenden Kollegen die vielen Arten, Stufen und Erscheinungsformen dieser dunklen Seite des Internet auf, er skizzierte die einzelnen Motive, Verlaufsformen und Folgen auch mittels eingespielter Filmsequenzen und Interviews mit Betroffenen. Da wurde im Detail erschreckend verdeutlicht, was die Lehrer und die Allgemeinheit schon wissen: Die üble Nachrede, die Beleidigung, das Ausgrenzen aus Chat-Foren und Freundeskreisen und die Verletzung der Privatsphäre per Handy und Internet können schwere Schäden und langwierige Trauma-Belastungen nach sich ziehen und müssen unter allen Umständen bekämpft werden.

Die gute Botschaft: Das geht! Der Experte konnte die Gymnasiallehrer beruhigen und sie in ihrem Kampfesmut bestärken: Die Anonymität des Cyber-Bully, des digitalen Mobbers, ist Gottlob nur Schein. In Wahrheit können die IT-Adressen der Versender von beleidigenden und erpresserischen SMS, E-Mails, Chatroom-Beiträgen usw. festgestellt und die Täter ermittelt werden. Aber was ist zu tun?
Wer Opfer von Cyber-Mobbing ist, so rät Bruno Lux aus seiner langjährigen Erfahrung, sollte nicht antworten, sondern Beweise sammeln, sei es durch Screen-Shots oder andere Arten von elektronischer Dokumentation. Die Polizei ermittelt dann, denn mit Mobbing erfüllt der Täter unter Umständen verschiedene Straftatbestände und wird dann auch als Minderjähriger aktenkundig.

Auf jeden Fall rät Lux davon ab, als Eltern eines gemobbten Kindes selbst gegen den Täter oder dessen Eltern vorzugehen, was die Aggression nur verschlimmert. Viel besser ist es für die Opfer, sich an die Schule zu wenden: Das Thema Mobbing ist auch am Dominicus-von-Linprun-Gymnasium Chefsache, wird vom Schulleiter sehr ernst genommen und mit Vertraulichkeit behandelt: „Bei Mobbing ist Petzen Pflicht und der erste Schritt zur Selbstverteidigung!“, weiß der Landshuter Experte, der für alle Schularten beratend tätig ist. Am Viechtacher Gymnasium wurde deshalb schon eine PIT-Gruppe gebildet: Prävention im Team ist ihr Ziel, Vorbeugung auch gegen Gewalt im Internet.
Psychologisch besonders interessant und für manchen unter den Pädagogen überraschend waren die Erkenntnisse aus Fallstudien: Die Täter sind oft gerade nicht die coolen, starken Typen unter den Schülern, sondern nicht selten solche, die selbst unsicher sind und ihr Bedürfnis nach Macht und Aggression auf diese heimtückische Weise ausleben wollen, meist ohne bestimmten Grund und Auslöser. Manchmal tarnen sie sich sogar gegenüber Lehrern als besonders nette Schüler, die kein Wässerchen trüben können.
Für die Gymnasiallehrer am „Safer Internet Day“ war es deshalb besonders wichtig zu erfahren, in welchem schulischen Umfeld die Gefahr des Cyber-Mobbing am ehesten steigt. So mündete der Pädagogische Tag in wichtige Ratschläge vom „no-blame-approach“ bis zum engagierten Einsatz für ein Klima der Toleranz und Solidarität in allen Bereichen der Schule. Solcherart fortgebildet, fühlten sich die Lehrer, Elternbeiräte und Schülervertreter am Abend dem gemeinsamen Motto und Ziel, das sich das Gymnasium gegeben hat, ein paar Schritte näher: einer „Schule mit Herz und Verstand“.

Franz Würzner